Die Krise bringt es mit sich, dass wir erstaunt feststellen, wie wir ohne Kulturveranstaltungen, ohne Stadionbesuch, ohne geregelten Schulbesuch, ohne den Luxus eines schönen Urlaubs und ohne manch andere Gewohnheiten auskommen. Wir konstatieren aber auch, dass uns Umarmungen fehlen, die Treffen mit anderen Menschen, und das Gefühl, uns bewegen zu können, wie wir wollen. Uns fehlt der gewohnte Rückbezug auf Menschen oder Institutionen, die zuständig sind für die auftauchenden Fragen, die sich nicht klären lassen. Ganz besonders beeindruckt mich, wie selbstverständlich niemand in den oberen Etagen der großen Entscheidungen vorgedacht hat, welche möglichen Katastrophen auf uns zukommen könnten – früher oder später. Wir wissen schon lange vom Klimawandel und den möglichen Folgen. Wir haben weltweite Institutionen, um das Thema im Blick zu behalten, wenn auch offenbar nicht auf Platz 1 unserer globalen To-Do Liste. Wirtschaftliche Interessen und Leugner der Wirklichkeit, die heute einen besonderen Aufschwung erleben, schaffen es immer wieder, konsequente Maßnahmen abzubremsen.

Seit 2013 liegt der Politik ein Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz vor, der aus heutiger Sicht ein wenig optimistisch scheint, wenn er auch auf die Notwendigkeit prozesshafter Weiterentwicklung hinweist. Das ist nicht geschehen. Im Gegenteil wurden Pflegekräfte weiterhin schlecht bezahlt und Stellen gekürzt, „bis es Tote gibt“, die Feuerwehr veraltet und Gesundheitsämter waren schon vor der Pandemie unterbesetzt. Also nichts von Krisenmanagement. Von Coronamonat zu Coronamonat staunt der Beobachter über die Hilflosigkeit in der Bewältigung des vorhersehbaren Dilemmas. Schon im Frühjahr des letzten Jahres war klar, dass der Herbst eine zweite infektionswelle über die Welt wird rollen lassen.
Seit vielen Jahren wird die digitale Ausrüstung der Schulen gefördert. Lange mahnen die Kundigen aus der Wissenschaft konsequente Maßnahmen an. Dennoch arbeiten Menschen eng an eng im Hotspot Klima der Fleischindustrie, bis dort die Erkrankungen dramatisch ansteigen. Hat man nun Wirtschaftsbetriebe mit intelligenten Lösungen ausgestattet, damit die Viren sich dort nicht ausbreiten können? Nein, hier galt das Prinzip der Freiwilligkeit, das in der kapitalorientierten Wirtschaft nur dann funktioniert, wenn es Bares bringt. Fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie werden nun die Betriebe zum Home-Office verpflichtet- nur, wo es geht! Aber die Produktion an den Fließbändern läuft weiter, als wäre nichts geschehen. Daran ändert auch das besorgte Gesicht der Kanzlerin wenig.

Großbetriebe erhalten Subventionen in Milliardenhöhe, aber pflegende Angehörige können für ihre Schützlinge nicht einmal den mobilen Impfdienst bestellen. Dagegen darf die Pharmafirma, die in unserem Land das Serum herstellt, wenige Wochen nach Lieferbeginn die Produktion vermindern, nachdem zuvor ein anderes Land beliefert wurde, das mehr als das Doppelte für das Serum zahlt als die Staaten Der Europäischen Union.
Diese Latte an Geschichte stammt aus keiner Comic Show, sondern schildert unsere Realität. Sie ließe sich noch lange fortsetzen, worauf AnDi gern verzichtet, weil es ihm an dieser Stelle um etwas anderes geht. Dies ist kein versteckter Aufruf zur Revolution im Staate Deutschland, sondern ein Gleichnis für meine Tendenz, die Probleme bei anderen zu sehen und ein Bild für so manches Vorleben der Leser dieser Zeitschrift.

Wenn man die gesellschaftliche und politische Entwicklung unseres Landes einmal gleichsetzt mit der Entwicklung eines alkoholkranken Menschen auf dem langen Umweg in eine zufriedene Trockenheit, dem man 2012 in der Selbsthilfegruppe oder in der Arztpraxis mitgeteilt hat, dass es bei ihm zur Katastrophe kommen kann, wenn er nicht umdenkt. Erfahrene Mitbetroffene haben ihm einen Plan vorgelegt, mit dem er seinem Desaster vorbeugen kann. Trotz seiner Einsicht tanzt er weiter auf dem Vulkan. Es wird schon nicht so schlimm kommen… Man kann ohnehin nicht in die Zukunft sehen… Es gibt ja noch andere Gesichtspunkte…
Wenn es dann zum Tiefpunkt kommt, erscheint alles so, als hätte nie einer etwas Mahnendes gesagt. Mir zeigen die Verläufe der Pandemie und unser Umgang mit ihr, wie wichtig es ist, dass ich selbst auf mich und meine Umgebung sorgfältig achte, vorausschauend plane und dankbar für jeden gesunden Tag bin, an dem ich meine Verantwortung wahrgenommen habe. Dabei bleibt genug Raum und Zeit genug für Spontaneität in meinem Leben. Die da draußen machen es nämlich nicht für mich, wie die Erfahrung lehrt.

Und nebenbei: Die Hoffnung auf bessere Zeiten kannst Du sponsern: trag‘ Maske zum Schutz, zeig‘ Nähe durch Abstand, beug‘ vor durch Impfen (sobald Du dran bist), kauf‘ für den bedürftigen Nachbarn ein und Händewaschen war schon immer gut – AHA!

AnDi